- 2021: Tapferkeit und Mut des Heiligsten Herzen Jesu
- 2022: Das Herz Jesu und die überlieferte heilige Messe
- 2024: Sühne dem heiligsten Herzen Jesu
Sühne dem heiligsten Herzen Jesu
Autor: Pater Christian Mutter (* 1993) wuchs seit Kindesalter in der Tradition auf, hat allerdings im Laufe der Studienzeit die Problematik der heutigen Kirchenkrise und damit auch die wahre Kirche erkannt, verließ folglich die Konzilskirche und wurde im Sommer 2020 durch S. E. Bischof Ramolla in der Nähe von München zum Priester geweiht. Er gehört der Priesterbruderschaft Unserer Lieben Frau vom Siege (lateinisch: Fraternitas Sacerdotalis beatæ Mariæ Virginis Victricis, FSMV) an. Seither wirkt er an verschiedenen Orten insbesondere im Allgäu/Süddeutschland.
Liebe Gläubige,
unser Herr und Heiland hat als göttliche Person die Menschennatur angenommen, um die Menschheit mit der beleidigten Majestät Gottes wieder zu versöhnen. Er hat Sich ein Herz geschaffen, den Sitz der Liebe, um uns in besonderer Weise nahe zu sein. Ein Herz, das ist der Inbegriff der Liebe einer Person. Sein Herz schlug für uns, und Es schlägt auch heute weiter für uns in der allerheiligsten Eucharistie.
Nicht ohne Grund wollte unser Herr und Heiland, daß das heutige Hochfest Seines heiligsten Herzens gerade am Freitag nach der Fronleichnamsoktav begangen werden soll – nicht zuletzt, um dieser Oktav ein besonderes Gewicht zu verleihen. Da wiegt es nur umso schwerer, daß man es wagte, diese Oktav unter Papst Pius XII. abzuschaffen. Gerade an Fronleichnam haben wir das größte Liebesgeschenk begangen, das Gott uns im Neuen Bund machen wollte: die Gegenwärtigsetzung Seinerselbst unter den Gestalten von Brot und Wein und damit Seine reale, bleibende Gegenwart unter uns Menschen, fortdauernd bis zum Ende der Welt. Das Altarsakrament als das erhabenste aller Sakramente gründet in der Liebe des Heilandes gegen uns. Am Karfreitag wird es angedeutet durch das Hervorquellen des (Wassers und) Blutes Jesu aus der geöffneten Seite. Der Soldat verwundet, durchsticht die Seite Jesu, dringt bis zum Herzen vor; an und für sich ein grausamer Vorgang. Christus ist bereits gestorben, aber dennoch versagt Er uns Seine Liebe nicht: Aus dieser Grausamkeit des Soldaten läßt Er Wasser und Blut hervorquellen, die Kraft der heiligen Sakramente. Das Wasser deutet uns die heilige Taufe an, das Blut die heiligste Eucharistie. Dem heiligen Thomas von Aquin gemäß läßt Gott ein Übel immer nur unter dem Aspekt des Guten zu. Wenn Er ein Übel zuläßt, dann deshalb, um daraus etwas Gutes zu bewirken. So auch hier: Die ungebührliche Handlung des römischen Soldaten wandelt Gott um, so daß daraus Gnade entsteht.
Dieses Handeln des Gottmenschen zeigt uns bereits Seine Gesinnung in deutlicher Weise: Die Schmerzen, die die Menschheit Ihm zufügt, versinnbildet durch den römischen Soldaten, treffen Sein Innerstes – Sein Herz; aber je mehr Er verwundet wird, desto mehr wächst nicht etwa Sein Verlangen nach Vergeltung, sondern Sein Liebesbeweis zu den geretteten Seelen. Zweifellos wird das Verhalten des Soldaten bzw. des Sünders dadurch nicht besser, und er entgeht auch seiner Strafe nicht; aber „auf krummen Zeilen schreibt Gott gerade“, denn Er benutzt zuweilen den größten Sünder, um etwas Gutes zu wirken. Seine Wege übersteigen unseren Verstand. Den Unglauben und die wahre Ablehnung des jüdischen Volkes nahm Gott in Seiner Vorsehung zum Schauplatz und zum direkten Umstand der eigenen Verurteilung durch Pilatus, die schließlich am Kreuzesholz gipfeln sollte.
Wenn wir heuer das Hochfest des heiligsten Herzens Jesu begehen, so wollen wir einmal ein Augenmerk auf den Aspekt der Sühne legen. „Sühne“ – ein Wort, das der heutigen Gesellschaft nicht schmeichelt, weil es von Wohlstand und Bequemlichkeit nur allzu weit entfernt ist. Was ist Sühne eigentlich? Um den Begriff der Sühne richtig zu verstehen, müssen wir ihn zuerst einmal gegen die Buße abgrenzen. Die Tugend der Buße ist (gemäß dem Konzil von Trient) der Schmerz und die Verabscheuung gegenüber einer selbst begangenen Sünde, in Verbindung mit dem Vorsatz, von nun an diese Sünde nicht mehr zu begehen. Es geht hier also um Sünden, die der betreffende Mensch selbst begangen hat – um seine eigene Schuld. Konsequenterweise wird er versuchen, diese Schuld Gott gegenüber auch wiedergutzumachen. Ein Mensch, der Schuld auf sich geladen hat, beispielsweise den Namen Gottes unnütz und ehrfurchtslos gebraucht hat, tut nun etwas, das dieser Schuld entgegengesetzt ist, das ihm diese Schuld und die dafür verdiente Strafe also wieder tilgt: er verabscheut innerlich diese Sünde, möchte sich von ihr distanzieren, wird sie beichten und ein „Buß“werk verrichten. Beispielsweise ein Gebet, um die verletzte Ehre Gottes wieder auszugleichen – ein Lob- und Preisgebet gegenüber dem Namen des Herrn.
Ein Bußwerk, das tut der Mensch für seine eigene Schuld. Anders dagegen verhält es sich mit der Sühne. Wer „Sühne“ leistet, der macht nicht seine eigene Schuld, sondern die Schuld eines anderen wieder gut.
Jede Sünde eines jeden Menschen muß eines Tages gutgemacht werden, denn die Sünde ist in ihrem Kern – theologisch gesprochen – eine Beleidigung Gottes. Gott, dem Allheiligen, gebührt allerdings Ehre und Verherrlichung vonseiten des armseligen Menschen. Wenn der Mensch Ihm diese Ehre aber nicht zukommen läßt, sondern im Gegenteil Ihn beleidigt, so ist ein Zustand der Ungerechtigkeit geschaffen: ein Ungleichgewicht zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf. Die Gerechtigkeit Gott gegenüber wurde verletzt. Eigentlich würde der Mensch Gott seine Verehrung und damit auch Gehorsam schulden: aufgrund seiner Abhängigkeit von Gott als seinem Schöpfer, aufgrund seiner Pflicht zur Dankbarkeit für alle empfangenen Wohltaten einschließlich der Erlösung etc. Somit hat der Mensch durch seine Sünde eine seiner Pflichten verletzt. Dieser „schiefe“ Zustand aber verlangt nach einer Korrektur, einer Ausgleichung, einer Wiedergutmachung. Nun liegt es leider oftmals nahe, daß gerade der Verursacher zu dieser Wiedergutmachung häufig am wenigsten bereit ist. So häufen sich Sünden über Sünden an, über deren Wiedergutmachung ihre Verursacher überhaupt keinen Gedanken verlieren. Gottes Ehre ist dennoch verletzt – und hier setzt nun der Akt der Sühne ein. Leistet der Verursacher nicht selbst Wiedergutmachung, muß ein anderer diese leisten. Jemand anders kann stellvertretend Sühne leisten, um diese Sünden wieder gutzumachen.
Setzen wir an die Stelle der fiktiven Sünde von gerade eben eine reale Sünde, nämlich die Erbsünde, so können wir den Fall konkreter werden lassen. Die Erbsünde, die in der heutigen Gesellschaft stillschweigend unter den Tisch fällt, als gäbe es sie nicht, ist eine leidvolle und äußerst folgenschwere Realität. Der Mensch (Adam) hat Gott beleidigt. Die Beleidigung richtet sich aber in ihrer Größe immer nach der Größe dessen, der beleidigt wurde. Es ist ein Unterschied, ob wir einen beliebigen Menschen beleidigen, oder unsere Eltern, oder einen König oder einen Priester. Und noch viel schlimmer ist es, Gott selbst zu beleidigen. Er ist unendlich – Seine Majestät auch, und damit ist es für den Menschen genau genommen nicht möglich, die eigene Schuld zur Gänze wieder gutzumachen, denn wir sind nur begrenzt, müßten aber eine unbegrenzte Wiedergutmachung leisten. Was tut Gott in Seiner Güte? Er verstößt das Menschengeschlecht nicht, sondern verheißt einen Messias – Sich selbst, die zweite göttliche Person wird Mensch werden. Als solche, als Gott und Mensch zugleich, kann Er selbst an unser statt die Beleidigung des himmlischen Vaters wieder gutmachen – eben „sühnen“, die der Mensch begangen hat – und dies ohne die Begrenzung auf Menschliches oder Endliches, da er ja zugleich auch die göttliche Natur in Seiner Person vereinigt.
Dabei hat Seine Sühne allein schon deswegen einen unvergleichbar viel höheren Wert, weil Er in ganz anderer Weise der Erhörung würdig ist. Ein Mensch kann Gott zwar seine Buße oder Sühne darbringen, aber er kann Gott nicht zwingen, sie auch anzunehmen, denn der Mensch hat genau genommen kein Anrecht im eigentlichen Sinne darauf, daß er erhört wird, wie er es möchte. Wir stehen mit Gott nämlich nicht auf gleicher Stufe, so daß wir von Ihm etwas im eigentlichen Sinne verlangen könnten. Er schenkt viel, aber Er schenkt es auf unsere Bitte hin vor allem aus Gnade. Ganz anders bei Jesus: Als zweite göttliche Person ist Ihm dieselbe göttliche Natur eigen wie dem himmlischen Vater. Er tritt vor Seinen Vater nicht als von Ihm abhängiger Erdenbürger, der zudem Schuld auf Sich geladen hätte, sondern selbst als Gott und hat damit sehr wohl Anrecht auf Erhörung. Wenn Er Seinen Vater um etwas bittet oder Ihm etwas darbringt (Sühne), dann hat Er in ganz anderer Weise und im engsten Sinn des Wortes tatsächlich ein Anrecht darauf, daß Gott Vater dies auch annimmt. Daher ist die Sühne, die Jesus selbst für uns leistet, noch um ein Vielfaches wirksamer als unsere eigene Sühne. Wenn aber wir Sühne leisten, dann immer in Verbindung mit Seiner Sühne! Da wir Glieder ein und desselben Leibes Christi sind, können und sollen wir unsere Sühne mit Seiner vereinigen.
Jesus selbst leistet Sühne für uns. Die Litanei vom heiligsten Herzen Jesu, die Papst Leo XIII. 1899 mit einem Ablaß von 300 Tagen ausgestattet hat, bringt uns diesen ersten Gedanken, die „Sühne in absteigende Richtung“, mehrmals vor Augen, etwa in der Anrufung: „Herz Jesu, Du Sühne für unsere Sünden, erbarme Dich unser.“ Im lateinischen Original steht für das Wort Sühne an dieser Stelle „propitiátio“. Darin ist eine Art Besänftigung und Versöhnung enthalten. „Sühne“ in diesem Zusammenhang zielt nämlich auf eine Versöhnung ab: auf die Versöhnung des himmlischen Vaters oder des (gerechten) göttlichen Zornes. Genau diese Versöhnung, diese „Besänftigung“ Gottes des Vaters hat Jesus durch Sein Sühneleiden aktiv bewirkt, indem Er Sich selbst als Opferlamm darbot. Von daher sagt uns diese Anrufung in treffender und doch sehr knapper Weise genau, was Christus am Kreuz tat – bis hin zur Preisgabe der Unversehrtheit Seines Herzens, indem Er den Soldaten bis in Sein Herz stechen ließ: Sühne für unsere Sünden.
So ist denn diese Bedeutung regional auch in die offiziellen Übersetzungen der Herz-Jesu-Litanei eingeflossen, denn mancherorts wird tatsächlich offiziell übersetzt: „Herz Jesu, Du Versöhnungsopfer für unsere Sünden, erbarme Dich unser.“
Dieselbe Litanei erwähnt das heiligste Herz Jesu an späterer Stelle noch ein zweites Mal in ähnlicher Richtung: „Herz Jesu, Du Opferlamm für die Sünder“ – man könnte auch übersetzen: „Schlachtopfer für die Sünder“. Er hat wahrhaft Sühne geleistet für unsere Sünden und für uns Sünder, um uns die Erlösung – d. h. die Öffnung des Himmels und die potenzielle Fähigkeit, dahin zu kommen – wieder zu erlangen.
Damit aber ist nicht alles zu Ende. Es wäre leicht, ähnlich wie die Protestanten nun zu sagen: Gott hat alles getan, Er hat mich erlöst, ich bin also gerettet und nun kann ich mich wieder zurücklehnen und brauche nichts mehr tun. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Denn im Herzen Jesu verbinden sich zwei Sühnegedanken auf schöne Weise miteinander: Zum einen die Sühne, die Er für uns leistet, und zum anderen unsere Sühne, die eine Folge davon sein soll. Wir sind zwar begrenzt, aber wir sollen mitwirken an der Sühne Jesu – „ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol. 1, 24). Tatsächlich gehören alle Katholiken zu dem einen Leib Jesu Christi und sind untereinander wie Glieder an diesem Leib; der mystische Leib Jesu aber, an dem wir Glieder sind, ist die heilige Kirche. Was das eine Glied der Kirche tut, nützt oder schadet auch den anderen Gliedern. Wenn ein Glied der Kirche sündigt, schadet es dem ganzen Leib; wenn ein Glied der Kirche (im Gnadenstand) büßt oder sühnt, nützt es aber auch dem ganzen Leib. Jesu Leiden ist war unermeßlich gewesen, doch wir alle haben unseren Teil dazu beizutragen. Wir alle haben durch eigene Leiden zu ergänzen, was an den Leiden Jesu Christi noch fehlt – nämlich die persönliche Anteilnahme daran.
So gesehen ist es ein hoher Ansporn an uns: wir dürfen mitleiden mit unserem Erlöser! Nicht dergestalt, daß Er es von uns bräuchte, aber wir selbst bedürfen dieses Ähnlich-Werdens mit Christus. Papst Leo der Große formulierte es so: „Das Leiden des Herrn wird bis zum Ende der Welt fortgesetzt, und wie Er es ist, der in Seinen Heiligen geehrt und geliebt und in den Armen gespeist und bekleidet wird, so ist Er es auch, der mitleidet in allen denen, welche um der Gerechtigkeit willen Schmach leiden.“
Einen noch höheren Wert aber erhält unser Leiden dann, wenn wir es direkt als Sühne verstehen. Sein Leiden war ein Sühneleiden, und wenn unser Leiden ebenfalls ein Sühneleiden wird, ist es Ihm auch in dieser Hinsicht ähnlich. Die Gesinnung des Sühneleidens entspringt in ganz besonderer Weise auch der Tugend der Liebe. War es einst die Liebe Gottes gegen uns, die Ihn dazu bewog, unsere ureigenen Sünden sühnend wiedergutzumachen, so ist es nun unsere Liebe (als Antwort auf die Liebe Gottes), die die Sünden anderer stellvertretend wiedergutmacht. Eine Übung der Gottesliebe und zugleich der Nächstenliebe: Gott gegenüber leisten wir sie, dem Nächsten aber nützt sie ebenfalls durch entsprechende Anrechnung vonseiten Gottes.
Freilich haben wir es dabei ein wenig schwerer, denn wir müssen zuerst einmal unsere eigene Schuld wiedergutmachen – was wir eben „Buße“ nennen –; dies war bei Christus nicht der Fall, denn Er konnte keine Buße leisten, da Er auch nie gesündigt hat. Wir sind zuerst einmal mit der Buße beschäftigt; aber hinzukommend dürfen wir dann zusammen mit den Leiden Christi auch unsere eigenen Leiden durchaus zur Sühne aufopfern. Legen wir sie in der heiligen Messe beim Offertorium und bei der hl. Wandlung in Gedanken auf die Patene oder in den Kelch und vereinigen wir unser eigenes Opfer mit dem unendlich wertvollen Opfer Jesu Christi – zur Sühne für die Sünden der Menschen!
Freilich ist unsere Sühne nur dann übernatürlich verdienstvoll, wenn wir zum Zeitpunkt unserer Sühneleistung im Stand der heiligmachenden Gnade sind. Wer die heiligmachende Gnade durch eine schwere Sünde verloren hätte, müßte (um Sühne leisten zu können) erst wieder in den Gnadenstand zurückkehren. Dies geschieht durch das Sakrament der heiligen Beichte, oder – wenn dies mangels Priester nicht möglich ist – durch die vollkommene Reue (Liebesreue), in Verbindung mit dem Vorsatz, die begangene schwere Sünde bei der nächsten Gelegenheit zu beichten. Die vollkommene Reue hat Gott selbst zum Beweggrund: ich bereue meine Sünde nicht wegen der Sündenstrafe, sondern zu allererst deshalb, weil ich Gott beleidigt habe, der mir so viel geschenkt hat und mich unendlich liebt. Seine Liebe habe ich nicht im Geringsten vergolten, sondern im Gegenteil beleidigt. – Die Liebesreue, wenn sie wirklich ernsthaft erweckt wird, (mit dem Vorsatz zur Beichte) versetzt uns wieder in den Stand der heiligmachenden Gnade und somit in die Möglichkeit, Gott wieder Buße und Sühne leisten zu können, die Ihm wohlgefällig ist.
In dem Maße, in dem wir das heiligste Herz Jesu lieben, berührt uns eine jede Verletzung Seines heiligsten Herzens durch andere ganz besonders schmerzlich. Es ist daher nicht falsch, ja sogar zu empfehlen, anläßlich des heutigen Hochfestes unsere Opfer gerade zur Sühne für diese Sünden darzubringen. Damit spannen wir einen Bogen von der „absteigenden“ Sühne wieder umgekehrt zur „aufsteigenden“ Sühne. Wenn das heiligste Herz Jesu die Sühne unserer Sünden und das Opferlamm für die Sünder ist, wie die Litanei Es nennt, dann muß eine Verletzung und Beleidigung Ihm gegenüber nur doppelt verwunden. Einen Herz-Jesu-Verehrer muß eine solche Beleidigung doppelt treffen, wenn er verstanden hat, was es um das heiligste Herz Jesu im Kontext der Sühne ist. Welche Sünden aber richten sich gegen dieses Sein Herz?
Im weiteren Sinne die Ablehnung Jesu Christi, des Erlösers, als des Königs. Damit geht beispielsweise die Ablehnung der öffentlichen (und auch privaten) Königsherrschaft Jesu Christi einher, die eine Folge der Religionsfreiheit und -gleichgültigkeit ist. Gott hat Sich uns durch Seinen Sohn geoffenbart, sodaß die Gesellschaft Ihn nicht ignorieren kann, ja vielmehr als ihren Herrn und Gott und König, als absolutes Oberhaupt anerkennen muß, aber die moderne Welt stößt Ihn zurück, als hätte die Offenbarung, die Erlösung nie stattgefunden. Sie knickt vor dem falschen Anspruch anderer Religionen ein, auf derselben Ebene mit der Wahrheit stehen zu dürfen. Die Konzilskirche hat infolge des Zweiten Vatikanums aktiv daran mitgearbeitet, die Königsherrschaft Christi aus den letzten zivilen Verfassungen buchstäblich zu streichen. Wer den Christkönig nicht annimmt, begeht damit zutiefst eine Undankbarkeit, die der vorausgehenden überströmenden Liebe des Herzens Jesu nicht gerecht wird, ja die Er in keiner Weise verdient hat.
Wofür wurde die Seitenwunde Christi geöffnet, wenn bis heute so viele die Sakramente als die Hauptgnadenquellen offen ablehnen? Wofür ist Er überhaupt Mensch geworden, wenn so viele dennoch den Weg des Verderbens wählen und am Ende der Erlösung Christi nicht teilhaftig werden? In der Tat muß es die Ölbergsqual des Herzens Jesu vermehrt haben, vorauszusehen, für wie viele Er gerade umsonst leidet.
Wenn jemand die Erlösung nie angenommen hat, ist es schlimm genug; schlimmer aber noch ist es, das einst Erkannte später zurückzuweisen. Denn ein solcher Mensch weiß genau, was er tut, und tut es trotzdem. Wer daher der heiligen Kirche des neuen Bundes (gegen besseres Wissen) den Rücken kehrt, obwohl er einst ihr Glied war, verursacht dem heiligsten Herzen Jesu daher eine noch größere Schmach. Solches geschieht etwa, wenn jemand der Kirche abtrünnig wird, indem er eine falsche Lehre annimmt und festhält. Ein Phänomen, das seit Entstehung der Konzilskirche massenhaft auftritt, weil diese in die katholischen Lehren massenweise falsche Lehren eingeschleust hat. Besseres Wissen natürlich vorausgesetzt – aber diese Sünden richten sich letztendlich auch gegen das heiligste Herz Jesu, den Mittelpunkt Seiner Liebe zu uns.
Allgemein richten sich all jene Sünden gegen Sein heiligstes Herz, die Seine Sendung in irgendeiner Weise schmälern oder gar zurückweisen. In dieser Weise hat Er selbst gegenüber der hl. Margareta Maria Alacoque Sühne gewünscht – zum Ausgleich dafür, daß so viele Sein heiligstes Herz aus lauter Undank zurückweisen.
Am tiefsten aber müssen Ihn jene Sünden verletzt haben, die sich gegen Sein Gnadengeschenk schlechthin, die heiligste Eucharistie, richten. Wer gewöhnt ist, Undankbarkeit zu erfahren, weiß, daß Undankbarkeit dort am schmerzlichsten ist, wo am meisten Liebe geübt wurde. Das allerheiligste Altarsakrament ist wahrhaft göttlich, es wäre in seinem Geheimnis rein menschlich nicht auszudenken gewesen. Es ist wahrhaftig die größte Liebestat und hängt, wie wir eingangs gesehen haben, so innig mit dem heiligsten Herzen zusammen. Wer Ihn also ausgerechnet darin beleidigt, dessen Lanze sticht am tiefsten in Sein Herz. Von daher müssen Ihn die Sünden gegen das heilige Meßopfer und gegen das allerheiligste Altarsakrament wohl am tiefsten verletzt haben. Denken wir nur an die moderne Mahlfeier, die die Konzilskirche an die Stelle der heiligen Messe gesetzt hat. Denken wir an die sakrilegischen Kommunionen, die weltweit und über alle Zeiten hinweg hier und da empfangen werden. Denken wir an die Undankbarkeit, die Ihm manchmal entgegenhallt – auch von solchen, die würdig kommunizieren. All das ist die Beantwortung Seiner Liebe durch die Menschheit, die sich darum kaum kümmert.
Für uns als Verehrer des heiligsten Herzens Jesu sollen es diese Sünden ganz im Besonderen sein, die wir versuchen wollen wiedergutzumachen. Eine der Anrufungen der Litanei nennt das heiligste Herz Jesu nicht umsonst „mit Schmach gesättigt“. Regelrecht gesättigt, übervoll von Schmach ist Es, Sein Herz, und Er hält Ausschau nach einem, der Ihn tröste. In den Psalmen ist uns die Heilandsklage überliefert: „Ich hoffte zwar auf Mitleid, doch vergebens; auf Tröster, aber keinen fand ich. Sie gaben Mir als Nahrung Gift und Essig für den Durst als Trank.“ (Ps. 68, 21 f.) Wird Er in Seinem Zukunftsblick am Gründonnerstag und Karfreitag immerhin jemanden aus unserer Mitte gesehen haben, der Ihn tröstet?
Kurz vor dem Umbruch in den Modernismus hat die heilige Kirche noch ein Meßformular genehmigt, das genau jene Sünden sühnen soll: die Herz-Jesu-Sühnemesse zur Wiedergutmachung der Sünden, die Ihm im eucharistischen Sakrament zugefügt werden. Darin lautet die Secreta: „Wir bitten Dich, o Herr, nimm an das Sühneopfer aus unserer demütigen Hand, und laß uns durch das, was wir zu Ehren Deines Sohnes, unseres Herrn, Deiner Majestät in Demut darbringen, die unendliche Schmach sühnen, die Ihm um Seiner unendlichen Liebe zu uns willen zuteil wird.“
Damit ist zugleich auch das beste Gegenmittel genannt, das selbst Sühne ist und mit dem auch wir unsere eigene Sühne vereinigen sollen: gerade das heilige Meßopfer. Gerade dieses unsagbare Gnadenmittel, durch das Ihm so viel Leid zugefügt wird, ist doch immer noch stärker und mächtiger als alle Schmach: ist es doch Jesus Christus selbst, der Sich als Gottmensch dem himmlischen Vater darbringt und somit unendliche Kraft der Wiedergutmachung aufbringt.
Wir aber wollen uns zutiefst darin und damit vereinigen. Im Zuge der fortschreitenden Kirchengeschichte hat sich die Herz-Jesu-Verehrung und mit ihr der Sühnegedanke vor allem in den letzten Jahrhunderten tiefer entwickelt bzw. ausgebreitet. Mit Recht lag es so in der weisen Vorsehung Gottes begründet. Denn gerade in unserer Zeit ist die Sühne so aktuell wie vielleicht nie zuvor.
Wenn wir womöglich sehr bald von unserer nächsten Prüfung überrascht werden, die uns auf dem Lebensweg von Gott zugedacht ist, denken wir daran, wie kostbar eine jede dieser Prüfungen ist: sie kann uns hundertmal kostbarer als Edelstein und Reichtum der Welt werden, wenn wir sie nutzen für einen Akt der Wiedergutmachung und Sühne. Nehmen wir sie (gleich dem göttlichen Herzen) in Geduld und Beharrlichkeit an. Vereinigen wir sie mit dem vollkommenen Opfer Jesu Christi, das dem himmlischen Vater in der heiligen Messe im Augenblick der Wandlung dargebracht wird; legen wir alle unsere eigene Sühne förmlich auf die Patene und bringen auch wir sie (in Vereinigung mit dem Priester und der Kirche) zusammen mit dem Opfer Jesu Christi dem Vater dar. Das wäre eine mögliche Sühneleistung, die wir in Verbindung mit der heiligen Messe darbringen können. Momentan gibt es in Moskau allerdings nicht die Gelegenheit, eine katholische hl. Messe zu besuchen. Aber wir können uns im Geiste mit allen katholischen heiligen Messen vereinigen. An verschiedensten Orten auf der ganzen Welt werden immer noch Gott wohlgefällige heilige Messen zelebriert, mit denen wir unsere eigenen Opfer und die eigene Sühneleistung vereinigen und Gott darbringen können. Dazu muß man nicht zwingend physisch gegenwärtig sein. Dazu ist es nicht einmal notwendig, ein vorgefertigtes Gebet zu sprechen. Man kann mit eigenen Worten etwa beten: „Himmlischer Vater, ich opfere Dir diese meine Krankheit/mein Gebrechen auf zu Deiner größeren Ehre und zur Sühne für die Sünden der Menschen gegen das heiligste Herz Jesu.“
Darüber hinaus gibt es natürlich auch weitere Möglichkeiten, in Verbindung mit dem Sühneopfer Jesu Sühne zu leisten und aufzuopfern. Beispielsweise sich in der Nahrung Abbruch zu tun, also entsprechend den eigenen Möglichkeiten zu fasten (zeitweise oder einzelne Male oder gar gewohnheitsmäßig an wiederkehrenden Tagen). Oder andere Akte der Abtötung allgemein, z. B. auf eine Gelegenheit zur Erholung zu verzichten, ein kleines bißchen früher aufzustehen, das Mittagessen ein bißchen weniger zu würzen. Oder die Tugenden zu üben stellvertretend für andere Menschen, die dies nicht tun. Das kann jede beliebige Tugend sein, etwa die Geduld, die Freundlichkeit, die Sanftmut, die Freigiebigkeit, welche auch immer; denn bei der Sühne geht es weniger um den konkreten Akt, als um die Selbstüberwindung oder Übung eines guten Werkes, das wir dann zur Sühne oder zur Wiedergutmachung aufopfern. Eine Selbstüberwindung gewinnt in Vereinigung mit der Sühne Jesu Christi einen viel größeren Wert, als sie an sich eigentlich hätte. Sie ist ein Opfer unsererseits, das wir dem Herrn bzw. dem Herzen Jesu darbringen können und dem Leiden Christi unsererseits noch hinzufügen können. Um das Opfer unsererseits geht es; zweitrangig ist, in welchem Bereich wir dieses Opfer bringen. Eine Selbstverleugnung, eine in Demut angenommene Zurechtweisung von jemandem, ein stilles Bekenntnis des katholischen Glaubens, auch wenn es Mut erfordert – Gelegenheiten dafür gibt es genug.
Im Idealfall üben wir sogar genau diejenige Tugend, die wir gerade durch jemanden anderen verletzt sehen. Blicken wir z. B. auf ein gotteslästerliches Plakat in der Öffentlichkeit, so könnte man etwa zur Wiedergutmachung stellvertretend Gott ein Lob- und Preisgebet darbringen. Hören wir jemanden fluchen, so antworten wir darauf etwa mit „Gelobt sei Jesus Christus!“, ruhig auch hörbar für den Fluchenden. Bemerken wir eine Schändung eines Kreuzes oder einer Kirche, so schmücken wir zur Sühne ein vielleicht vergessenes Herz-Jesu-Bild oder ein Kreuz, um die Beleidung durch entgegengesetzte Liebe wiedergutzumachen.
In allen diesen Fällen tun wir etwas (wenn auch Begrenztes und Irdisches), vielleicht einen Liebesakt oder eine Überwindung, die wir mit dem Leiden Christi vereinigen können und Ihm darbringen können zum Ersatz für die Sünden anderer Menschen. Damit besänftigen wir nicht nur Gott selbst, sondern sammeln uns auch Verdienste für die Ewigkeit.
P. Christian Mutter
Zum Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu 2024, Epfach, Allgäu