Jubiläumsartikel

 Tapferkeit und Mut des Heiligsten Herzen Jesu

Bischof Thomas Huber

Liebe Gläubige,
Die heilige Kirche begeht heute das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu. Voller Freude dürfen wir auf den Mittelpunkt unseres Herrn und Erlösers schauen: auf sein Heiligstes Herz. Alles ist in seinem Herzen, alles strömt aus seinem Herzen. Ja, es ist wirklich alles. Wir können kaum Worte finden, die beschreiben, welche Reichtümer hier verborgen sind. In der Litanei vom Heiligsten Herzen Jesu heißt es: Herz Jesu, das alle Schätze der Weisheit und der Wissenschaft in sich enthält. Herz Jesu, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt. Dieses Herz hat in der Tat alles und alles, was wir uns von einem guten Herzen erbitten. Der hl. Paulus beschreibt in der heutigen Lesung die Fülle Christi und was zu tun ist: Mir, dem geringsten unter allen Heiligen, wurde die Gnade verliehen, den Heiden den unergründlichen Reichtum Christi zu verkünden. Und weiter spricht der Apostel: Darum beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, … dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, und ihr selbst in der Liebe festgewurzelt und gegründet seiet. Mögen wir auch die Liebe Christi verstehen, die alles Erkennen übersteigt und so mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt werden.

Aus dieser Fülle und aus dem Reichtum des Herzens Jesu möchte ich einmal etwas herausgreifen. Ich möchte einmal die Tugend der Tapferkeit des Heiligsten Herzens näher betrachten. Wir kennen die vier Kardinaltugenden, die vier sittlichen Grundtugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. „Die Tapferkeit gibt uns die überlegene Kraft, im Guten nicht zu erlahmen und Hindernisse mutig zu überwinden. Nur mit Mühe und Kampf kann der Himmel errungen werden. Ohne Mut und Tapferkeit kommt der Christ nicht ans Ziel. Weichliche, feige und furchtsame Menschen erlahmen auf dem Weg und erliegen der Versuchung zum Bösen. Wo Tapferkeit fehlt, entstehen Furcht und Trägheit, Kleinmut und Verzweiflung. Beten wir um die Tapferkeit! Sie macht hochherzig und großmütig, geduldig und ausdauernd. Wir vermehren die Tapferkeit durch das Gebet und heiligen Sakramente, sowie durch beständige Übung und Selbstüberwindung.“ (Katechismus des Oratoriums [KdO]) Wenn nun das, liebe Gläubige, für uns Menschen gilt, dann dürfen wir doch an diesem Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu, dieses Herz mit seiner Tapferkeit verehren, anflehen und bitten. Die Fülle der Tapferkeit ist im Herzen Jesu erhalten. Erbitten wir das Feuer der Tapferkeit aus diesem Herzen. Denken wir einmal an den Kreuzweg Jesu, denken wir an Golgotha und wir werden sehen, dass der Kreuzweg und das Herz Jesu eine Einheit bilden in der Tapferkeit. Natürlich fehlen Klugheit, Gerechtigkeit und Maß nicht. Aber die Tapferkeit des Herzens Jesu kommt auf Golgotha an. Deshalb erbitten wir die Tapferkeit aus dem Heiligsten Herzen Jesu für unsere Katholische Kirche. Ohne Tapferkeit geht es nicht! Und so war und so ist die Katholische Kirche immer um Tapferkeit bemüht. Sie zieht in die Schlacht gegen den Irrtum, gegen die Häresie und die Lauheit. In der Kraft des Heiligen Geistes verurteilt sie Irrlehren, lehrt, stellt richtig und ermahnt zum Erhalt des Glaubens und zum Heile der Seelen.

Anders sieht es bei der ab 1958 gegründeten römisch-modernistischen Kirche aus. Die konziliaristische Kirche hat die Tapferkeit so gut wie an den Nagel gehängt. Womit hängt das zusammen? Das hängt am Hominismus, am Liberalismus und am Modernismus, dem sich die neu-römische Kirche verschrieben hat.

Der Hominismus „ist diejenige Irrlehre, die dem Menschen einen besonders hohen Rang und eine besonders hohe Würde gegenüber Gott einräumt und den Menschen und die Menschlichkeit als Ziel menschlichen Handelns erscheinen lässt. Der Hominismus (von lat. Homo = Mensch) ist eine Übersteigerung des Humanismus. In ihm wird dem Menschen Ehre gezollt, als sei er – trotz seiner erbsündlichen Natur – (fast) gottgleich. Alles muss auf den Menschen als das höchste Ziel ausgerichtet werden.“ Im Konzilsdokument Gaudium et spes heißt es: „Es ist fast einmütige Auffassung der Gläubigen und Nichtgläubigen, dass alles auf Erden auf den Menschen als seinen Mittel- und Höhepunkt hinzuordnen ist.“ (GS 12,1) Freilich geht das Konzil im nächsten Kapitel auf den Kampf des Menschen ein, wohl aber nur, um die konservativeren Bischöfe zur Annahme des Dokuments zu bewegen. Das Lehramt und Paul VI. hatten sich dagegen längst entschieden, die Menschenverehrung weiter voranzutreiben. So sagt er: „Auch wir, und wir mehr als alle, sind Verehrer des Menschen.“ (Ansprache vom 7.12.1965) Die wahre Katholische Kirche stattdessen lehnt den Hominismus ab, „weil er die Stellung des Menschen als Knecht Gott gegenüber in eine Partnerschaft umdeutet. Durch den Hominismus wird der Stolz des Menschen gestärkt. Die erbsündliche Natur des Menschen gerät in Vergessenheit. Die Gottesfurcht wird herabgemindert oder gar aufgelöst, und Gott wird der Ihm zustehenden Ehre zugunsten des Menschen beraubt. Die Kirche – ja bisweilen selbst Gott – erscheint als im Dienst des Menschen stehend.“(KdO)

Liebe Gläubige, so weit ist es also gekommen. Mit dem zweiten Vatikanischen Scheinkonzil ist eine Kirche entstanden, die zuallererst dem Menschen dient. Deshalb braucht auch der Mensch keine Tapferkeit mehr, er braucht auch die Tapferkeit des Heiligsten Herzen Jesu nicht mehr, weil Gott und die Kirche ihm sowieso immer entgegenkommen und ihm dienen.

Kommen wir nun kurz zum Liberalismus. Der Liberalismus ist diejenige Irrlehre, die „im Namen der Freiheit behauptet, der Mensch sei nur seiner Vernunft unterworfen, jeder Mensch sei nur sich selbst Gesetz. Der Liberalismus erkennt Bindungen für das Individuum von Seiten Gottes oder des Staates nur insoweit an, als dadurch dessen Rechte geschützt werden. Der Liberalismus ist stattdessen abzulehnen, weil er die menschliche Freiheit höher stellt als die göttlichen Gebote. Der Liberalismus setzt sich dem Glaubensgebot (Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden. Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Mk 16,16) entgegen. Der Mensch erscheint für den Liberalismus so, als hätte er das Recht seinen Glauben selbst auswählen zu dürfen oder gleichgültig gegenüber allen Formen des Glaubens zu sein. Der Liberalismus ist insofern ein Angriff gegen jede absolut verpflichtende religiöse Wahrheit. Er betrachtet den Glauben als eine in das Belieben des Einzelnen fallende Privatangelegenheit. Wenn es [wie es das zweite Vatikanische Scheinkonzil lehrt] ein Menschenrecht auf Religionsfreiheit gibt, dann hat der Mensch die Erlaubnis, im Irrtum zu verharren und sittlich Minderwertiges zu tun. Gott würde sich mit dem von ihm geschaffenen Naturrecht selbst widersprechen. Denn einmal gäbe er dem Menschen das „Naturrecht“, eine beliebige Religion oder Weltanschauung frei ausüben zu dürfen, und dann verlangte er von ihm, nur die eine wahre Religion zu bekennen und auszuüben bei Strafe der Verdammnis, wenn dem Gebot nicht gefolgt wird.“ (KdO)

Auch hier müssen wir sagen: Diese Lehren der neurömischen Kirche sind absurd, nicht katholisch und schon lange vom Lehramt der Katholischen Kirche verurteilt. Es ist wie, wenn man einem Kind sagt: Gott hat geboten: Du sollst nicht stehlen. Aber Du hast ein Naturrecht, dennoch so frei und so oft Du willst, zu stehlen. Und Gott hat in Christus geboten, an den Dreifaltigen Gott zu glauben, aber Gott hat Dir das Recht gegeben, frei zu glauben an, was Du willst. Es erklärt sich von selbst, liebe Gläubige, dass bei einem solchen theologischen Chaos, das Heiligste Herz Jesu, seine Klarheit, seine Reinheit und seine Tapferkeit keine Rolle mehr spielen. Die modernistische Kirche braucht keine Tapferkeit mehr im Kampf für die Wahrheit, weil jeder machen kann, was er will. Die modernistische Kirche belächelt tapfere Märtyrer für Jesus Christus als theologische Engführung. Das Martyrium, das konsequente Bekenntnis zu Christus sei sogar sündhaft, angesichts eines barmherzigen Gottes, der alle Religionen und Überzeugungen gelten lässt. Das hat wirklich nichts mehr mit dem Heiligsten Herzen Jesu zu tun. Und es ist klar, warum die Verehrung desselben immer weiter ausstirbt.

Kommen wir nun noch zum Modernismus. „Der Modernismus war zu Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitet, wurde besonders von Papst Pius X. verurteilt und ging dann zurück. Inzwischen ist er wieder weit verbreitet, ja aus der gegenwärtigen römischen Kirche gar nicht wegzudenken. Denn der Ökumenimus ist ohne ihn nicht zu betreiben. Durch den Modernismus werden die grundlegenden katholischen Begriffe von Glaube, Offenbarung und Dogma von der Individuellen und gemeinschaftlichen Erfahrung her verstanden.“ (KdO) Es ist also die Erfahrung, das persönliche Erleben und Empfinden eines Menschen, das den Glauben formt. Ein paar Beispiele hierzu: Ein Modernist ist jemand, der sagt, dass Christus Gott ist, aber die Gottheit Christi nur in seinem Erleben, in seinem Empfinden für wahr hält. Ob Jesus Christus tatsächlich und wirklich Gott ist, will der Modernist nicht sagen. Oder ein Modernist sagt: Jesus Christus ist auferstanden, aber nur in meinem Herzen, in meinem Gefühl. Oder: Ja, in der Heiligen Messe werden Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt, aber das erlebe ich nur, das spüre ich nur, wir alle empfinden das so. Oder: Ich verehre die Gottesmutter Maria, weil ich in ihr das weibliche Element Gottes empfinde. Oder: Die Wunder, die Jesus zugeschrieben werden, entspringen nur dem religiösen Empfinden der Evangelisten, Jesus eine besondere Wirkmächtigkeit zuzuschreiben. Oder: Die Dogmen der Kirche, sind nur in Worte gepresste, religiöse Wünsche und Hoffnungen, die sich damit ändern können und müssen, wenn es sein muss. So sieht also die Heimtücke des Modernismus aus! Im Grunde wird immer die Glaubensaussage zunächst bestätigt, dann aber umgedeutet und verfälscht. Das katholische Verständnis von Glaube, Offenbarung und Dogma wird ausgehöhlt. „Der Modernismus ist abzulehnen, weil er die von Gott unmittelbar geoffenbarte Wahrheit [der katholischen Religion], wie sie das Lehramt in den Dogmen zu Glauben vorlegt, ins Unbestimmte aufzulösen sucht. Für den Modernismus ist Glaube nicht die Befolgung der Pflicht, die vorgelegte Wahrheit – wenigstens einschlussweise – anzunehmen. Vielmehr ist Glaube bloß noch ein Erlebnis, eine Erfahrung oder Daseinshaltung. Entsprechend wird der Gegenstand des Glaubens zu einem Geheimnis oder Weg erklärt oder einfach mit Gott gleichgesetzt.“ (KdO) Damit ist nach dem Modernismus der Glaube niemals verbindlich. Die Offenbarung Gottes kann man so oder so sehen. Das Dogma ist eine vorübergehende Ausdrucksweise einer beliebigen religiösen Überzeugung, so meinen es die Modernisten.

Kehren wir damit zum Heiligsten Herzen Jesu und seiner Tapferkeit zurück. Der Hominismus, der Liberalismus und der Modernismus der Amtskirche brauchen das Heiligste Herz unseres Erlösers nicht mehr. Wenn Gott und die Kirche nur noch für den Menschen da sind, braucht sich dieser auch nicht mutig bekehren. Wenn dem Menschen alle religiösen Freiheiten gestattet sind, dann braucht sich dieser auch nicht tapfer zu Jesus Christus zu bekennen. Und wenn schließlich Religion nur eine beliebige Gefühlssache ist, dann braucht es keinen Kampf um Glaube, Offenbarung und Dogma. Kein Wunder, dass Papst Pius X. den Modernismus als Sammelbecken aller Häresien bezeichnet und die Modernisten exkommuniziert hat. Wer dem Modernismus anhängt, ist exkommuniziert und damit nicht mehr Glied des mystischen Leibes Jesu Christi. Wer aber nicht zu Christus gehört, kann unmöglich ein Amt oder eine Autorität in der Kirche haben.

Liebe Gläubige, die wahre katholische Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu führt uns damit zum Kampf, zum Feuer des Eifers und der Liebe. Herz Jesu, brennender Feuerherd der Liebe! Damit setzen wir uns gegen die Polemik zur Wehr, die dem Heiligsten Herzen Jesu und seiner Verehrung durch die Modernisten entgegenschlägt. Die Polemik der Modernisten ist unerhört, denn die wahre Herz Jesu Verehrung hat gerade nichts Weichliches oder Honigsüßes oder Kitschiges, nichts Beliebiges oder Austauschbares. Wer die Herz Jesu Andacht lästert, der lästert Gott. Wer den Ernst der Herz Jesu Andacht nicht erkennt, für den gibt es aber eine Empfehlung. Er soll einmal die zwei Gebete zum Heiligsten Herzen Jesu lesen, wie sie im alten Schott unverfälscht abgedruckt sind. Da heißt es: Sei Du, o Herr, König über all jene, die immer noch vom alten Wahne des Heidentums oder des Islams umfangen sind; entreiße sie der Finsternis und führe sie alle zum Lichte und Reiche Gottes. Diese Bitte stellen wir in Demut und vor dem Altare niedergeworfen an das Heiligste Herz Jesu. Bekennen wir doch immer und immer wieder, dass wir im Heiligsten Herzen Jesu seine Gottheit verehren.

So darf ich Sie, liebe Gläubige, bitten: Flehen Sie das Heiligste Herz Jesu an, um Anteil an seiner Tapferkeit. Gerade dann, wenn Sie merken, dass der modernistische Geist an Ihnen zerrt, sie noch Verbindungen oder Anhänglichkeiten zur neukatholischen Kirche haben. Reißen Sie sich los vom Modernismus. Suchen Sie und finden Sie den Mut und die Tapferkeit, Klugheit, Maß und Gerechtigkeit im Heiligsten Herzen Jesu. Bitten Sie das Heiligste Herz Jesu, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt, um alles, was Sie brauchen, damit der Modernismus, die Verfälschung, die Lüge keinen Platz hat.

Möge das Heiligste Herz Jesu uns alle reichlich segnen. Alles ist in seinem Herzen, alles strömt aus seinem Herzen. Ja, es ist wirklich alles. Heiligstes Herz Jesu, erbarme Dich unser!

So darf ich Ihnen zu allen Ihren Kämpfen, Prüfungen und Leiden meinen apostolischen Segen erteilen.

+Thomas Huber, Bischof

Zum Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu 2021, Friedberg (Bayern)